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Blog: Wuerdigung der Vernehmungen in einem Freiburger Arzthaftungsprozess

Beweiswürdigung nach mündlicher Verhandlung vor dem Landgericht Freiburg

Gerade die Beweiswürdigung nach einem Gerichtstermin ist für den weiteren Verlauf eines Klageverfahrens im Arzthaftungsrecht wegen Behandlungsfehler oder Aufklärungsfehler von höchster Wichtigkeit.

 

Hier möchte ich Ihnen zeigen, wie ein solcher Schriftsatz inhaltlich gestaltet werden kann:


Hinweis: Bei dem hier vorgestellten Fall handelt es sich um einen realen Fall aus unserer Kanzlei. Es wurden lediglich die Namen aller Beteiligten, sowie die Datumsangaben, die Zahlen und die sonstigen genannten Beträge abgeändert und/oder abgekürzt, um den Fall dadurch zu anonymisieren.

Muster: Schriftsatz für die Beweiswürdigung

In Sachen

 

S. ./. B. u.a.

 

nehmen wir zum Verfahren wie folgt Stellung:

 

I) Zur mündlichen Verhandlung am 29.01.2014

 

Die glaubwürdigen Aussagen des Klägers M. und seiner Mutter H. vor dem Landgericht Freiburg waren insgesamt widerspruchsfrei und nachvollziehbar, und sind daher der Sachverständigenbegutachtung zu Grunde zu legen.

 

1)

Insbesondere die Zeugin H. schilderte den Lebenssachverhalt inklusive seiner Vorgeschichte sehr glaubwürdig, umfassend und lebensnah.

 

Sie bestätigte, dass sowohl die Hausärzte Dr. M. und Dr. L., als auch der Arzt Prof. K. der Praix P. in Freiburg im Rahmen ihrer Vorbehandlung nichts Auffälliges feststellen konnten.

 

Weiterhin schilderte die Zeugin S. glaubhaft, dass der linke Fuß in der Nacht zum 30.09.2011 ganz kalt war, und eine andere Farbe (Wachsfarbe) hatte, der Fuß schmerzte und M. seine Zehen nicht mehr bewegen konnte.

 

Zudem schildert die Zeugin S. glaubwürdig, dass sie bei Öffnung der Praxis P. in Freiburg am 30.09.2011 und bei der Aufnahme in der Praxis sämtliche Symptome der Bekl. zu 2) mitteilte und darauf hinwies, dass es sich aus ihrer Sicht um einen Notfall handeln würde (S.9 des Protokolls).

 

Die Zeugin und Mutter ging dabei davon aus, dass es sich um schlimme und drastiche Folgen einer Zerrung handeln würde.

 

Diese Aussage der Mutter ist schon deshalb glaubwürdig, weil man grundsätzlich davon ausgehen kann, dass eine besorgte Mutter bei der Aufnahme in einer Arztpaxis dem Arztpersonal sämtliche Symptome ihres leidenden Kindes schonungslos mitteilen wird. Die Behauptung der Beklagtenseite, die Mutter habe die Symptome nicht geschildert, ist lebensfremd und schlichtweg absurd.

 

Weiterhin bestätigte die Zeugin und Mutter glaubwürdig, dass seitens der Beklagten keine Aufforderung o.ä. dahin gehend gemacht wurde, der Kläger solle nicht warten, sondern in der Ilmtalklinik vorstellig werden.

 

2)

Die Angaben der Beklagten in deren Parteianhörungen hingegen und die Aussage deren „inszenierter“ Zeugin K. sind unglaubwürdig und können daher nicht der Sachverständigenbegutachtung zu Grunde gelegt werden.

 

Auch lässt das vom Kläger bei Aufnahme gemachte Momentfoto seines Gesichtes keine Aussage über dessen dauerhaften Zustand und und dessen Schmerzen zu.

 

a)

Festzuhalten ist jedoch, dass sogar die Bekl. zu 2 einräumt, dass die Symptome des Klägers am Morgen des 30.09.2011 für sie auf einer Dringlichkeitsskala von 1-10 auf immerhin 6-7 einzustufen gewesen wären. Folglich wusste die Beklagte zu 2) nicht nur von den vorliegenden Symptomen beim Kläger, sondern auch um deren Dringlichkeit (S. 6 des Protokolls).

 

b)

Erstaunlich ist auch, dass gemäß den Angaben der Bekl. in der Beklagtenpraxis in Freiburg die Patienten lediglich in zwei Kategorien eingeteilt werden: „mit und ohne Termin“, sowie dass die Patienten ohne Termin (unabhängig von deren Symptome) immer in die Warteliste eingeschrieben werden, dann zunächst die „Terminpatienten“ den Vorrang haben und erst danach die „Patienten ohne Termin“ stoisch nach der Reihe abgearbeitet werden, da -so versuchte die Bekl. zu 2) sich zu rechtfertigen- ja typischerweise nie Notfälle in die Praxis kämen (S. 7 des Protokolls). Bei diesem praxisinternen Vorgehen handelt es sich um ein grobes Organistaionsverschulden bzgl. der Richtlinien zum Notfallmanagement in einer solchen Praxis.

 

Beweis:

Einholung eines Sachverständigengutachtens

 

c)

Festzuhalten ist auch die Aussage des Bekl. zu 1), dass die Bekl. zu 2) gemäß den internen Vorgaben des Bekl. zu 1) hier sogar verpflichtet gewesen wäre, einen Patienten bei den vorliegenden (und unstreitig von ihr zur Kenntnis genommenen) Symptomen (kalter und gefühlloser Fuß...) sofort in die Sprechstunde des Bekl. zu 1) bringen zu lassen. Dies hat die Bekl. zu 2) hier grob fehlerhaft versäumt.

 

d)

Die Aussage der Zeugin K. auf S. 12 des Protokolls ist nicht verwertbar, da die Zeugin eine derart inszenierte und gekünstelte „abgespulte“ Aussage machte, dass sich förmlich jedem Prozeßbeteiligten aufdrängen musste, dass sie von ihrem Arbeitgeber (dem Bekl. zu 1) oder von ihrer Kollegin (die Bekl. zu 2) vor ihrer Aussage genau instruiert worden war.

 

So stürzte sich die Zeugin gleich zu Beginn ihrer Aussage und ohne Nachfrage des Gerichtes förmlich auf den sog. „wir machen das immer so-Beweis“. In rechtlicher Hinsicht wird dieser Immer-So-Beweis in der gerichtlichen Praxis bei der Frage der Risikoaufklärung teilweise von den Gerichten ausnahmsweise zugelassen, dies kann jedoch nicht für Organisationsabläufe oder Sicherungsaufklärungsgespräche in einer Praxis gelten, da bei diesen Fragen die Arztseite zunächst nicht beweisbelastet ist.

 

Erstaunlich ist die Aussage der Zeugin K. jedoch, dass das geschulte und gelernte Arztpersonal in der Praxis des Bekl. zu 1) grundsätzlich keine Einschätzungen über die Frage eines Notfallspatienten trifft, da „wir selbst nicht einschätzen können, ob es sich bei den Patienten um Notfälle handelt“, später wird dann widersprüclich von ihr ausgesagt: „Wir würden Notfälle ins Krankenhaus in Freiburg schicken“ (vgl. S. 12 des Protokolls).

 

Auch von geschulten Arzthelferinnen einer orthopädischen Praxis kann erwartet werden, dass diese eine solche Notfallsituation erkennen können müssen und entsprechend den Arzt informieren können müssen, dies gilt auch für arterielle Verschlußkrankheiten.

 

Beweis:

Einholung eines Sachverständigengutachtens

 

e)

Ins Bild passt dazu dann auch, dass die Behandlungsdokumentation, welche die Beklagtenseite mit Schreiben vom 29.02.2012 an die Klägerkanzlei gegeben hatte (Karteikartenausdruck vom 30.09.11, vgl. Blatt 70-71 der Gerichtsakte), eine andere ist, als die Dokumentation, welche von ihr dann später zu Gericht gereicht wurde (Karteikartenausdruck vom 30.09.11ff., vgl. Blatt 72 der Gerichtsakte).

 

f)

Festzuhalten ist auch, dass die Angabe des Bekl. zu 1), dass er den Kläger dann vermutlich gegen 11.45 Uhr untersucht habe, nicht stimmen kann. Zum einen bestätigte die Zeugin S. eindeutig, dass M. erst um 12.15 Uhr vom Bekl. zu 1) untersucht wurde, und zudem ist es unstreitig, dass ab der Untersuchung alles sehr schnell verlief und M. binnen Minuten in die nebenan liegende Ilmtalklinik verbacht wurde (12.23 Uhr) und dort sofort untersucht wurde.

 

Beweis:

- Zeugnis des ärztlichen Behandlers in der Ilmtalklinik

 

II.) Zum Schriftsatz der Beklagtenkanzlei vom 07.02.2014

 

1)

Mit Nichtwissen wird bestritten, dass die arterielle Verschlusskrankheit des Klägers sich bereits einige Zeit vor dem 30.09.2011 gezeigt haben soll und dass diebszgl. Befunderhebungsfehler o.ä. des Herrn Dr. M. und des Herrn Prof. K. vorliegen würden. Die Beklagtenseite bietet für diesen Einwand der hypothetischen Kausalität keinen Beweis an.

 

Ein solcher Beweisantritt wäre auch unbehelflich, weil für eine volle Haftung der Beklagten auch die sog. Mitkausalität ausreichend ist.

 

Dies gilt auch bei der Frage der Kausaliät beim groben Behandlungsfehler. Denn es ist herrschende Rechtsprechung, dass der grobe Behandlungsfehler zur Umkehr der Beweislast auch dann führt, wenn die eingetretene Gesundheitsschädigung nur zusammen mit einer (evtl. sogar bereits vorhandenden) weiteren bzw. anderen, der Behandlungsseite nicht anzulastenden Ursache (bspw. Vorerkrankung) herbeizuführen geeignet sind (Wenzel, Der Arzthaftungsprozeß, S. 1477, Rn. 3605). D.h. dies ist auch dann der Fall, wenn die konkrete Handlung des Schädigers den eingetretenen Schaden nicht abgrenzbar allein, sondern nur zusammen mit einer anderen Ursache herbei geführt hat (BGH NJW 1990, 2882, 2884).

 

2)

Soweit die Beklagten nun versuchen, den Beweiswert der Zeugin S. durch unerhebliche BGH-Fundstellen zu schmälern, sei kurz und knapp auf folgendes hingewiesen: Nur der Kläger, der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) sind echte Prozeßparteien. Folglich ist die Mutter des Klägers zivilprozessual völlig ordnungsgemäße Zeugin und allein aus dieser Stellung heraus genießt diese grds. die gleiche hohe Glaubwürdigkeit wie jeder andere Zeuge auch.

 

a)

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Mutter des Klägers am Morgen des 30.09.2011 lediglich davon ausging, dass es sich um Folgen einer Zerrung handele und dass sie in der Praxis des Bekl. zu 1) sofort oder zumindest zeitnah drankommen würde.

 

b)

Außerdem ist die Zeugin und Mutter (im Gegensatz zu den Beklagten) medizinische Laie. Erstaunlich ist, dass die Beklagtenseite der Zeugin und Mutter nun vorhält, dass sie die Notfallsituation angeblich nicht richtig erkannt habe und nicht richtig gehandelt haben soll. Dabei waren es ja die Beklagten, die den Kläger trotz seiner Symptome stundenlang im Wartezimmer haben sitzen lassen.

 

c)

Die Beklagte möchte die Glaubwürdigkeit der Zeugin und Mutter doch nicht allen Ernstes mit dem Argument in Frage stellen, dass die Zeugin und Mutter es im öffentlichen Wartezimmer unterlassen habe, ihren jugendlichen Sohn dort mehrmals zu entkleiden, um sich dann dessen schmerzenden Fuß anzusehen.

 

 

d)

Zur eingeschränkten Verwertbarkeit der Beklagtendokumentation hatten wir bereits oben vorgetragen. Wie Aussagekräftig kann eine solche Arztdokumentation sein, wenn diese im Nachhinein nochmal angepasst und verändert wurde?

 

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