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Ueberbeatmung eines asphyktischen Neugeborenen als grober Behandlungsfehler

RA Michael Graf
RA Michael Graf

Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied im Jahr 2002: Die extreme Überbeatmung eines Neugeborenen, das unter Kreislaufschwäche und Atemdepression (Asphyxie) leidet, stellt auch dann einen groben Behandlungsfehler dar, wenn der Sauerstoffmangel unter der Geburt mitursächlich für den Schadenseintritt war.

 

Die Schwangerschaft mit dem Kläger war für dessen Mutter die erste. Sie verlief gänzlich komplikationslos. 8 Tage nach dem errechneten Geburtstermin entband die Mutter des Klägers ihren Sohn im beklagten Krankenhaus. 

 

Die Geburt selbst verlief ohne größere Komplikationen. Als der Kläger geboren war, hatte er jedoch die Nabelschnur doppelt um den Hals geschlungen. Der Neugeborene war schlaff und blass. Er atmete nicht mehr. Die behandelnden Ärzte führten eine Absaugung durch, in deren Folge der Puls des Klägers auf über 100 Schläge pro Minute stieg. Eine Spontanatmung unterblieb jedoch. 20 Minuten nach seiner Geburt wurde der Kläger deshalb auf die Intensivstation verlegt. 

 

Im weiteren Verlauf diagnostizierten die Ärzte beim Kläger eine starke Pfötchenstellung, einen Karpfenmund, einen schweren Starrkrampf im Bereich der Rückenmuskulatur (Ophistotunus) sowie eine fehlende Schmerzwahrnehmung.

 

Insgesamt ließ sich eine starke Krampfbereitschaft bei dem Neugeborenen feststellen. Auch trat immer stärkere Unruhe und schneller werdende Eigenatmung auf. Zwar konnten die Ärzte dank ausreichender Spontanatmung auf die Sicherung der Atemwege bald verzichten (Neuinturbation), jedoch traten in den Folgetagen mehrere, für den Kläger lebensbedrohliche Situationen auf. Eine Woche nach der Entbindung wurde der Kläger schließlich aus dem Krankenhaus entlassen. Er leidet bis heute unter einer hypoxischen Hirnschädigung. 

 

Das Landgericht hatte das beklagte Krankenhaus verurteilt, an den Kläger 300.000 DM Schmerzensgeld zu zahlen. Zudem stellte es die Verpflichtung des Beklagten fest, dem Kläger für alle materiellen Schäden zu ersetzen. 

 

Der Beklagte legte erfolglos Berufung ein. 

 

Nach dem Sachverständigen des Gerichts war die Überbeatmung des Klägers nach seiner Geburt eindeutig fehlerhaft erfolgt. Grundsätzlich gelte bei Neugeborenen das strikte Gebot, nicht zu überbeatmen. Genau dies sei im vorliegenden Fall von den behandelnden Ärzten missachtet worden. Durch die Überbeatmung kam es zu einer Sauerstoffunterversorgung des Gehirns, die die gesundheitlichen Schäden des Klägers verursachte.

 

Fraglich war, inwiefern zu beachten ist, dass auch der während der Geburt bestehende Sauerstoffmangel zu den Schäden des Klägers beigetragen haben könnte. 

 

Grundsätzlich muss der Patient die Kausalität zwischen Behandlungsfehler und Schaden darlegen. Nur, wenn der Behandlungsfehler als grob zu bewerten ist, kommt dem Patienten eine Beweiserleichterung zugute. 

 

Ein grober Behandlungsfehler ist immer dann anzunehmen, „wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen, und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf“ (NJW 2001, 2795). 

Die extrem lange und fehlerhafte Überbeatmung des Neugeborenen, die gegen allgemeine medizinische Grundsätze verstieß, ist dem OLG Stuttgart als ein solcher grober Fehler zu bewerten. Da der Beklagte nicht belegen konnte, dass die Überbeatmung nicht ursächlich für die Gesundheitsschäden des Klägers war, sind andere denkbare, aber nicht erwiesene Ursachen für die Schäden unbeachtlich. Nur in Fällen, in denen die Folgen des groben Behandlungsfehlers von anderen Schäden eindeutig abgrenzbar seien, könne eine Einschränkung der Beweislastumkehr erfolgen. Dies sei vorliegend jedoch gerade nicht der Fall. 

Bezüglich der Schmerzensgeldhöhe verwies das OLG Stuttgart auf das landesgerichtliche Urteil. Aufgrund der dauerhaften Beeinträchtigung des Klägers hielt es ein Schmerzensgeld von 300.000 DM für angemessen. 

 

Nach: VersR 2003 376; beck online. 

 

Für weitere Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Patientenanwälte sehr gerne mit Rat zur Seite. Es grüßt Sie herzlich...

… Ihr Michael Graf, Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht:

 

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