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Hirnödem nach Zangengeburt und Verjährung des Ersatzanspruches eines Geburtsschadens

Auch wenn Geburtsschäden in Deutschland nicht flächendeckend erfasst werden, sind sie immer wieder Streitgegenstand vor den Gerichten. Meist geht es dabei um Ersatzansprüche, die der, bei der Geburt Geschädigte, geltend machen will. So auch in folgendem Fall, den das OLG Zweibrücken zu entscheiden hatte: 

 

Der Kläger erlitt bei der Geburt eine Hirnschädigung, die weitere Gesundheitsstörungen verursachte. Er trugt vor, eine Geburt per Kaiserschnitt hätte die Schädigungen vermeiden können. Dass eine solche Sectioentbindung nicht erfolgte, sei Fehler der behandelnden Ärzte gewesen. Die Beklagte sei ihm deshalb zu Schmerzensgeld und zum Ersatz sämtlicher, durch die Behandlung entstandener Schäden verpflichtet. 

 

Vor der Geburt des Kläger, hatte seine Mutter bereits zwei weitere Kinder auf natürlichem Wege zur Welt gebracht. Einen Monat vor dem errechneten Entbindungstermin wurde bei einer routinemäßigen Vorsorgeuntersuchung in der Geburtsklinik eine Beckenendlage festgestellt. Daraufhin wurde die Mutter darüber informiert, dass in einem solchen Fall eine Entbindung per Kaiserschnitt in Betracht komme. Da jedoch die Möglichkeit bestand, dass das Kind sich bis zur Entbindung noch drehte, vertagte man die endgültige Entscheidung über die Geburtsmethode. 

 

In der 39. Schwangerschaftswoche wurde die Mutter des Klägers mit leichten Wehen in der Klinik aufgenommen. Sonographie und vaginale Untersuchung ergaben, dass Komplikationen, wie eine reine Fußlage oder eine Hyperextension (Überstreckung) des Kopfes nicht drohten. Der diensthabende Arzt entschied sich für eine Entbindung auf natürlichem Wege. Die Mutter des Klägers stimmte zu. 

 

Zwischen den Parteien ist streitig, inwiefern die Mutter des Klägers über die Risiken und Vorteile der alternativen Sectioentbindung aufgeklärt wurde. 

 

Kurz darauf platzte die Fruchtblase der Mutter. Es trat grünlich verfärbtes Fruchtwasser aus. Der Kläger bezog sich unter anderem darauf, dass die Farbe des Fruchtwassers bereits auf die Notwendigkeit eines Kaiserschnitts hingewiesen hätte. 

 

Die Entwicklung des Kopfs des Klägers bereitete Probleme und gelang letztlich nur durch den Einsatz einer Zange und des Kristeller’schen Handgriffs. Nach der „Zangengeburt" musste der Kläger reanimiert werden. Bei der weiteren Überwachung stellte man eine Hirnblutung mit einem beidseitigen fokalen Ödem (Hirnödem) fest. Zwei Jahre später diagnostizierte der behandelnde Hals-Nasen-Ohrenarzt eine ausgeprägte Sprachentwicklungsstörung. 

Vor allem die aus der Sprachentwicklungsstörung folgenden immateriellen Schäden wollte der Kläger geltend machen. 

 

Das OLG Zweibrücken stellte fest: Der Ersatzanspruch des Klägers (aus deiktischem Handeln) ist gem. § 852 des bürgerlichen Gesetzbuches verjährt. 

 

Der Beginn der Verjährungsfirst trete erst dann ein, wenn der Ersatzberechtigte Kenntnis von einem ärztlichen Behandlungsfehler erlangt. Dafür reiche es nicht aus, lediglich den negativen Ausgang einer Behandlung zu kennen. Für den Patienten als Laien müsse erkennbar sein, dass der behandelnde Arzt anders als medizinisch üblich gehandelt hat. Kennt der Patient die haftungsbegründenden Tatsachen, und weiß er von der Beteiligung des Schädigers, beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Ist der Geschädigte - wie hier - geschäftsunfähig, so kommt es auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an.

 

Zudem fordere § 852 des bürgerlichen Gesetzbuches, dass ein Schaden tatsächlich entstanden ist. Zukünftige Schäden gelten jedoch als noch nicht entstanden. Bei den Spätfolgen einer Körperverletzung ist der entstehende Schaden grundsätzlich als Einheit anzusehen. Eine eigenständige Verjährungsfrist beginnt dann nur, insofern die Schäden nicht vorhersehbar waren. 

 

Im vorliegenden Fall wussten die Eltern des Klägers jedoch von den Hirnschäden. Die später festgestellte Sprachentwicklungsstörung ist nur als eine Folge des Hirnschadens, nicht als eigenständiger Schaden anzusehen und war vorhersehbar. Für die Eltern hat die Möglichkeit bestanden, eine Feststellungsklage zur Sicherung zukünftiger Schadensersatzansprüche zu erheben. Eine solche Klage haben die Eltern gerade nicht eingereicht. Der Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens ist gem. § 852 des bürgerlichen Gesetzbuches verjährt. 

 

Nach: NJWE-VHR 1998, 186; beck online


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