Die Schulter in der privaten Unfallversicherung
In der privaten Unfallversicherung wurde der Invaliditätsgrad bei Schulterschäden stets nach dem Armwert der Gliedertaxe bemessen, der gängigen Berechnungsgrundlage bei Unfallschäden an Gliedertaxen und Sinnesorganen. Dies soll sich nach einem viel beachteten BGH-Urteil vom 01.04.2015, allerdings falsch sein?!
In der privaten Unfallversicherung wurde der Invaliditätsgrad bei Schulterschäden stets nach dem Armwert der Gliedertaxe bemessen, der gängigen Berechnungsgrundlage bei Unfallschäden an
Gliedertaxen und Sinnesorganen. Dies soll sich nach einem viel beachteten BGH-Urteil vom 01.04.2015, allerdings falsch sein:
Der BGH entschied hier, dass Schulterschäden außerhalb der Gliedertaxe zu bewerten seien. Denn die einschlägigen Versicherungsbedingungen seien für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer
gerade nicht so zu verstehen, dass die gesamte Schulter zum Arm hinzuzählen und Schulterschäden deshalb anhand des Armwertes der Gliedertaxe zu bemessen seien.
Diese Rechtsprechung wurde in der Folge jedoch von einigen Gerichten dahingehend missverstanden, dass trotz im Einzelfall bestehender Armbeeinträchtigungen ein außerhalb der Gliedertaxe
bemessener Invaliditätsgrad angenommen wurde, der (erheblich) niedriger ausfiel, als es bei Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen des Armes anhand des in der Gliedertaxe bestimmten Armwertes
der Fall gewesen wäre.
Das OLG Karlsruhe hat im Urteil vom 30.12.2016 deshalb klargestellt, dass zwar sämtliche Verletzungen oberhalb des Oberarmkopfes von der Gliedertaxe losgelöst bemessen werden sollen. Dabei dürfe
jedoch kein Wertungswiderspruch gegenüber der Bemessung anhand der Gliedertaxe entstehen. Vielmehr solle sich die Bemessung der Invalidität (auch) an der Gliedertaxe orientieren, soweit ein
Schulterschaden eine Funktionsbeeinträchtigung des Arms nach sich zieht.
Dem ist bereits deshalb beizupflichten, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei einer Schädigung der Schulter, die eine dauerhaft, unfallbedingte Beeinträchtigung des Armes zur Folge
hat, die Versicherungsbedingungen dahingehend versteht, dass zumindest diese Verletzungsfolge (neben den sonstigen Schäden) anhand der Gliedertaxe bemessen wird.
Daneben gibt das Urteil des OLG Karlsruhe auch hinsichtlich der Frage der Mitwirkung von Gebrechen bei Unfallschäden Anlass zur Diskussion.
So ist zunächst klarzustellen, dass der BGH durch die Anerkennung von die Leistungspflicht der Unfallversicherung mindernder, bei der Schädigung mitwirkender, degenerativer Gebrechen, die bislang
„klinisch stumm“ verlaufen sind, seine allgemeine Definition von Gebrechen nicht aufgeben wollte (vgl. BGH, VersR 2016, 1492).
Zudem hatte das OLG die Frage zu entscheiden, wie eine dem Alter vorauseilende und am Unfallschaden mitwirkende Degeneration zu berücksichtigen ist. Es entschied sich dabei für die
Berücksichtigung des gesamten Degenerationzustandes. Vorzugswürdig erscheint hier jedoch vielmehr die Berücksichtigung lediglich des Teils, der auch tatsächlich „altersvorauseilend“ ist (so auch
Gundlach, VersR 2017, 733ff.).
Michael Graf Patientenanwälte
Spezialisten im Patientenrecht, Arzthaftungs- & Personenversicherungsrecht